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Sozialstadträtin Tietje: „Will mich dafür einsetzen, dass Kürzungen für das Sozialprojekt Prenzlauer Berg zurückgenommen werden“
Kurz vor der Europawahl diskutierten Gäste der Tagesstätte für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Prenzlauer Berg intensiv mit Politikern über Wohnen, Arbeit, Armut und Ausgrenzung.In der Tagesstätte des Sozialprojekts Prenzlauer Berg haben am Mittwoch, 22. Mai, bei der von der Landesarmutskonferenz initiierten Veranstaltung „Wir kommen wählen 2019 zur Europawahl!“ Gäste und Mitarbeitende intensiv, sehr persönlich und manchmal hitzig mit drei Politikern und einer Politikerin über Themen diskutiert, die ihnen wichtig sind: Armut, Chancenlosigkeit und Ungerechtigkeit, Hartz IV, steigende Mieten, Migration, mangelnde Anerkennung ausländischer Ausbildungen. Und sie beklagten, dass die Tagesstätte Angebote streichen musste, nachdem der Bezirk die Mittel gekürzt hatte. Den vielen teils wütenden Fragen stellten sich Pankows Sozialstadträtin Rona Tietje (SPD), die Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich (Die Linke) und Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) sowie der Bezirksverordnete Sebastian Bergmann (CDU).
Die gut besuchte zweistündige Diskussion brachte neben der Vielzahl von nur angerissenen, komplexen Themen auch einen konkreten Erfolg: Nachdem Gäste und Mitarbeitende eindrücklich geschildert hatten, wie sich die Mittelkürzungen auswirken, versprach Sozialstadträtin Rona Tietje, sich dafür einzusetzen, dass im nächsten Doppelhaushalt die Kürzungen für die Tagesstätte um 18.000 Euro, die einer Viertelstelle entsprechen, wieder zurückgenommen werden.
Wenn das Frauenfrühstück wegfallen muss
Eine Frau berichtete, die Tagesstätte habe das wöchentliche Frauenfrühstück kürzen müssen: „Das war für uns so wichtig. Die Männer mussten draußen bleiben und wir konnten mal in Ruhe zusammensitzen. Wir sind hier richtige Freundinnen geworden, die für einander da sind. Das Frauenfrühstück fehlt uns.“ Simona Barack, Leiterin der Tagesstätte, erläuterte, dass in einer von männlichen Gästen dominierten Einrichtung ein geschützter Rahmen für Frauen besonders wichtig sei. „Obdachlosigkeit ist bei Frauen eher versteckt, wir müssen stärker Beziehungen aufbauen, auch Zeit haben, sie mal zum Sozialamt zu begleiten.“
Auch die Freizeitgestaltung an den Mittwochnachmittagen mit Ausflügen, Tischtennis und kulturellen Angeboten habe gestrichen werden müssen, sagte Simona Barack. Die Mitarbeitenden verdeutlichten, wie die Kürzungen von Stellenanteilen ihre eigene finanzielle Situation erschweren und die Arbeit beeinträchtigen. „Die Probleme unserer Gäste werden immer komplexer, so kommen immer mehr Menschen aus Bulgarien in die Tagesstätte mit Sprachbarrieren oder Suchterkrankungen. Wir bräuchten mehr Stellen, stattdessen werden es weniger“, klagte ein Sozialarbeiter. Zurzeit stünden für die Arbeit der Tagessätte nur 1,75 Stellen zur Verfügug.
Am 26. Mai ist die Tagesstätte Wahllokal
„Ich kann nichts versprechen, aber ich werde versuchen, dass wir die Einrichtung wenigstens wieder auf den alten Status zurückbringen können“, so Tietje, die als Stadträtin die Kürzungen verantwortet hatte. „Das ist ein toller Erfolg“, sagte Simona Barack, Leiterin der Tagesstätte. „Noch gestern im Sozialausschuss sagte die Stadträtin, das werde voraussichtlich nicht möglich sein.“
Die Veranstaltung „Wir kommen wählen“ zeige, wie wichtig es sei, Orte zu haben, an denen der seltene Austausch zwischen Politikern und von Armut betroffenen Menschen mögich ist, sagte Kirstin Wulf von der Landesarmutskonferenz. Am Sonntag ist die Tagesstätte an der Zelter Ecke Dunckerstraße Wahllokal.